Wer mit 50 noch perfekt sein will, ist selber schuld!
Ich hab’s auch jahrelang gespielt. Meine Mutter ja schließlich auch. Ich bekam es sozusagen ab Werk mitgeliefert. Schließlich wird keiner gekrönt, der nicht vorher gekämpft hat. Wir Frauen versuchen doch ständig, irgendwas zu optimieren. Entweder wir dressieren unseren Partner oder uns selbst. Unsere Manegen heißen Schönheit, Gesundheit, Fitness, Erfolg, Beliebtheit, Blockflötenstunde und Elternabend. Wenn du bereits makellose Haut hast, tolles Haar dein Eigen nennen darfst und dank Oral-B über ein strahlendes Lächeln verfügst, das dich zum steilsten Zahn im Bad macht, geht’s ans „Eingemachte“. Dann wird die Persönlichkeit gecoacht, denn Persönlichkeit lässt sich ja nun mal nicht fotoshoppen. Dieser Perfektionswahn ist so typisch für uns. Die Frauenzeitschriften sind voll davon. Es ist sozusagen ein Unheil von der Stange.
Und für diese Disziplin erwarten wir auch noch Anerkennung! Ich nehme mich da gar nicht aus. Männer sind ganz anders. Ich weiß noch, wie ich beim ersten Date mit meinem Mann ventiliert und mich nach allen Regeln der Kunst verbogen habe, nur um ihm zu gefallen. Und er? Er war so relaxed, ruhte in sich, schien einfach nur er selbst sein zu wollen.
Lange Zeit wollte ich nach außen hin wie ein Hauptgewinn wirken, auch wenn dies innerlich für mich eine Höchststrafe war: Wonder Woman in dem, was ich tat, und Everybody‘s Darling in dem, was ich sagte. Und selbst das unterlag dem Optimierungsgedanken und hatte je nachdem, wem ich was sagte, die Stabilität einer Pusteblume.
Vielleicht liegt es am Alter und an den Hormonen, diesem Estragon, oder wie das heißt, aber heute befinde ich mich immer öfter am Rande der Egalität. Ich verzweifle nicht mehr, weil ich kein perfekter Profi in irgendwas bin. Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic. Weniger Perfektion heißt mehr Gewinn. Es gibt sie jetzt tatsächlich, diese Mumente, in denen ich bewusst nicht mehr herumzapple wie frisch gewaschene Wäsche auf der Leine kurz vor einem Gewitter. Ich musste über 50 werden, um endlich sagen zu können: Ich mache jetzt mal keinen Haushalt. Ich mache mir lieber mal Gedanken und dann lege ich mich mit meinem Tablet gemütlich aufs Sofa.
Denn eines habe ich in all den Jahren gelernt: Du kannst es nie allen recht machen. Du wirst niemals alle mit deinem Tun begeistern. Selbst wenn du übers Wasser laufen könntest, käme einer daher und würde fragen: Bist du zu blöd zum Schwimmen?
Unsere Kolumnistin, Anne Vogd, (52), ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie arbeitete 25 Jahre im Vertrieb einer Modefirma, wollte sich 2013 aber radikal verändern und ist seitdem als Comedian auf Karnevalssitzungen und anderen Veranstaltungen unterwegs. 2016 gewann sie den SWR3 Comedy Förderpreis. Heute schreibt sie zusätzlich Kolumnen in Tageszeitungen und ist regelmäßig im Radio zu hören. Hier finden Sie weitere Beiträge dieser Autorin.